Normfall Examenstrainer

Strafrecht, 23.02.1996

Fall Kfz-Doppelzahlungsfall


Normalfallösung Ebene 5

A. Zahlung

I. B

1. 267 I Var.2, 3

a) Tb

aa) Tb obj
- Urkunde (+)
- Von A unterzeichnete Vertragsausfertigung
- Var.2, verfälscht (+)
- Entfernen der Kontonummer des A und Einfügen der Kontonummer des B
- Var. 3, gebraucht (+)
- P: Gebrauchen durch bloßes Liegenlassen

Gebrauchen liegt vor, wenn die verfälschte Urkunde dem zu Täuschenden so zugänglich gemacht wird, daß dieser von der Urkunde Kenntnis nehmen kann. B ließ die Urkunde lediglich liegen. Da diese bereits zur Weiterleitung an den Kunden bestimmt war, war jedoch anzunehmen, daß der Bürogehilfe die Urkunde an K weiterleiten würde, wie dies ja auch tatsächlich geschah. Insoweit handelte B durch positives Tun (Hinlegen) in mittelbarer Täterschaft, 25 I Var. 2 (Wissensherrschaft).

bb) Tb subj
- Vorsatz (+)
- Der Vorsatz erstreckte sich auch auf die Beherrschung des ahnungslosen Büroboten als Werkzeug bezüglich des Gebrauchens der Urkunde.
- Zur Täuschung im Rechtsverkehr (+)
- K sollte zur Zahlung auf das Konto des B, also zu einem rechtserheblichen Verhalten, veranlaßt werden

c) Rw (+)

- Keine (stillschweigende) Einwilligung des A (Rechtsgut nicht disponibel, nachträgliche Genehmigung wäre überdies im StrafR unbeachtlich)

d) Schu (+)

b) und c) wird im folgenden nicht mehr eigens geprüft, soweit diese dort ebenfalls problemlos zu bejahen sind

P: Innertatbestandliches Konkurrenzverhältnis der Varianten 2 und 3 des 267

Hier wäre zunächst an Gesetzeskonkurrenz zu denken. Das "Verfälschen" kann als mitbestrafte Vortat des Gebrauchens angesehen werden, oder umgekehrt kann das "Gebrauchen" als mitbestrafte Nachtat" des Verfälschens angesehen werden. Richtigerweise ist aber (inner-)tatbestandliche Handlungseinheit anzunehmen; das "oder" in 267 ist als einschließendes "oder/und" zu lesen.

Erg.: 267 I Var. 2, 3 (+)

2. 263 z.N.d.K.z.V.d.B; 25 I Var. 2 (Bürogehilfe)

a) Tb

aa) Tb obj
- Täuschung (mittels des Bürogehilfen)

P: A entdeckt gefälschten Brief und läßt ihn passieren

Die Täuschung geschieht in mittelbarer Täterschaft (s.oben 1 zum "Gebrauchen" bei 267). Die Besonderheit des Falles liegt darin, daß A die Manipulation entdeckt und verhindern könnte, aber passieren läßt. Hier beginnt ein atypischer Kausalverlauf, auf den beim Vermögensschaden (dem Erfolg des Betruges) zurückzukommen ist.

- Irrtum (+)
- K irrt über das Konto, auf das er bezahlen soll
- Vermögensverfügung
- K überweist 20.000,- DM auf das Konto des B
- Vermögensschaden
- Der Schaden des K liegt darin, daß er 20.000,- DM auf das Konto des B überwiesen hat. Zwar hat K gleichwohl mit befreiender Wirkung geleistet, weil A als Stellvertreter des V mit Wirkung für diesen die Manipulation des B gedeckt hat. Gleichwohl riskiert K, daß V erneut von ihm Zahlung fordert, wie es ja dann auch tatsächlich geschehen ist. Insoweit liegt eine schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung vor.

P: Bei korrektem Verhalten des A wäre der Schaden des K vermieden worden.

Es liegt ein atypischer Kausalverlauf vor, der nach der Lehre von der objektiven Zurechnung zu behandeln ist. B hat eine tatbestandsrelevante Gefahr geschaffen. Die Frage ist, ob sich diese oder eine andere Gefahr - das Nichteingreifen des A - im Erfolg verwirklicht hat. An sich schließt das Handeln eines eigenverantwortlichen Dritten nach dem Prinzip der Selbstverantwortung die Gefahrverwirklichung aus. Im vorliegenden Fall ist jedoch A lediglich untätig geblieben, weshalb die Gefahrverwirklichung und damit die objektive Zurechnung zu bejahen ist.

bb) Tb subj
- Vorsatz (+)
- B weiß insbesondere, daß der Bürogehilfe den Brief verschicken wird
P: Das Verhalten des A wurde von B nicht in den Vorsatz aufgenommen.

Da im objektiven Tatbestand die objektive Zurechnung bejaht wurde, ist auch der Vorsatz zu bejahen. Ein Irrtum über den Kausalverlauf scheidet daher aus.
- Eigennützige Vorteilsverschaffungsabsicht (+)
- B erstrebt die Zahlung des K
- Stoffgleichheit (+)
- Die erstrebte Zahlung ist die Kehrseite des Schadens von K
- Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils (+)
- B hat keinen Anspruch auf die Zahlung der 20.000,- DM.
Erg. 267 (+)

Konkurrenz : Ik zu 267 (Teilidentität - Gebrauchen i.S.d. 267 = Täuschen i.S.d. 263.

II. A

1. 267 I Var. 2 (Gebrauchen); 27; 13

P: Mögliche Nebentäterschaft des A

Die Frage, ob der Unterlassende neben dem Tuenden immer Täter, immer Beteiligter oder nur bei Obhutspflichten Täter, sonst Teilnehmer ist, ist umstritten, kann aber offen bleiben. A handelt ohne die für 267 erforderliche Absicht, kann daher nur Teilnehmer sein.

a) Tb

aa) Tb obj
- Haupttat (+)
- siehe I 1
- Hilfe leisten
P: Unterlassen

Eine Garantenpflicht als Sicherungspflicht scheidet aus. B ist selbstverantwortlich; sein Arbeitgeber A hat ihn nicht zu beaufsichtigen. Doch ist eine Garantenpflicht unter dem Aspekt der freiwilligen Übernahme als Obhutspflicht zu bejahen.

Die Entsprechungsklausel des 13 I Var. 2 ist zu bejahen, weil A Geschäftsherr des B war, sein Unterlassen mithin eine dem eigenen Tun vergleichbare Prägung besaß.

bb) Tb subj
- Vorsatz (+)

Erg.: 267; 27; 13 (+)

2. 263; 27; 13

aa) Tb obj
P: Mögliche Nebentäterschaft des A

Diese Frage (siehe 1.) kann auch hier offen bleiben. A hatte weder eigennützige noch fremdnützige (zugunsten des B) Vorteilsverschaffungsabsicht, kann also nur Teilnehmer sein.
- Haupttat (+)
- siehe I 1
- Hilfe leisten
P: wie 1

bb) Tb subj
- Vorsatz (+)

Erg.: 263; 27; 13 (+)

Konkurrenz : IK zu 1.

3. 266 I (Treubruchstb, Rechtsgeschäft) z.N.d.K (-)

a) Tb

aa) Tb obj
- Vermögenswahrnehmungspflicht (-)
- A ist Vertreter des V, hat keine besondere Beziehung zu K, also auch keine Vermögenswahrnehmungspflicht
Erg: 266 (-)

4. 266 I (Treubruchstb, Rechtsgeschäft) z.N.d.V

a) Tb

aa) Tb obj
- Vermögenswahrnehmungspflicht (+)
- Pflicht zum Inkasso bedeutend, Selbständigkeit des A groß
- Nachteil
P: V erhält sein Geld im Klageweg

Zwar muß A sich das Verhalten des B zurechnen lassen, so daß V von A (und nicht von K, der ja befreiend an B geleistet hat, s.o.) Auszahlung des Geldes verlangen kann. Da A sich aber nicht zu seiner Deckung der Manipulation des B bekannt hat, ist das Vermögen des V schadensgleich konkret gefährdet.

Erg: 266 (+)

Konkurrenz: IK zu 2.,1. (die Pflichtverletzung beginnt mit der Unterlassung)

5. 263 I z.N.d.V.z.V.d.B; 13

a) Tb

aa) Tb obj
- Täuschung (+)
- Unterlassen der Mitteilung an V über die Zahlung auf das Konto des B, zur Garantenpflicht aus freiwilliger Übernahme und Entsprechungsklausel des 13 I Var.2 siehe oben 1.
- Irrtum (+)
- V wußte weder von der Zahlung des K noch von der Manipulation des B
- Vermögensverfügung (+ )
- V unterließ die Geltendmachung von Ansprüchen gegen A aus 823 II BGB i.V.m. 266 (s.o.)
- Vermögensschaden (+)
- Entsprechend
bb) Tb subj
- Vorsatz (+)
- Eigennützige Vorteilsverschaffungsabsicht (+)
- A wollte eigene Inanspruchnahme vermeiden
- Stoffgleichheit (+)
- Der erstrebte Vorteil war die Kehrseite des Schadens von A
Erg: 263 (+)

Konkurrenz: IK zu 4.

B. Klage

A

1. 153 (Gericht, Zeuge)

a) Tb

aa) Tb obj
- Gericht (+)
- Zeuge (+)
- Falsche Aussage
P: Wahre, aber lückenhafte Aussage

Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge. Dabei liegt Tun vor, kein Unterlassen.

Erg. 153 (+)

2. 263 I z.N.d.K.z.V.d.V (Dreiecks-(Prozeß-)betrug

a) Tb

aa) Tb obj
- Täuschung (+)
- Falschaussage vor Gericht
- Irrtum (+)
- Der Richter glaubt der Falschaussage; A verschwieg, daß er die Manipulation des B deckte; da er Vertreter des V war, musste V sich des Verhalten des A zurechnen lassen, so daß eine wirksame Erfüllung des K vorlag; hätte der Richter dies gewußt, hätte er die Klage gegen K abgewiesen.
- Vermögensverfügung
- Der Richter verurteilt K zur Zahlung (Dreiecksbetrug - unproblematisch, da der Richter rechtlich auf das Vermögen des K einwirken kann)
- Vermögensschaden
- K muß (nochmals) zahlen
bb) Tb subj
- Vorsatz (+)
- Vermögensvorteilsverschaffungsabsicht (+)

- A erstrebt (notwendigerweise) das obsiegende Urteil des V
- Stoffgleichheit (+)
- Das den K schädigende Urteil ist die Kehrseite des für V erstrebten Vermögensvorteils
- Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils (+)
- Nach wirksamer Erfüllung durch K (s.o.) hatte V keinen Anspruch mehr gegen K.
Erg. 263 (+)

Konkurrenz : IK mit 1 (Falschaussage = Täuschung)

3. 263 I z.N.d.V.z.V.d.A

a) Tb

aa) Tb obj
- Täuschung (+)
- Die Falschaussage gelangte zur Kenntnis des V (vernünftige SV-Auslegung)
- Irrtum (+)
- V irrte entsprechend
- Vermögensverfügung (+)
- V unterließ es, Forderungen gegen A geltend zu machen.
Rest glatt (+)
Konkurrenz : IK mit 2

4. 263 I z.N.d.K z.V.d.A

a) Tb

aa) Tb obj
- Täuschung (+)
- Die Falschaussage gelangte auch zur Kenntnis des K (vernünftige SV-Auslegung)
- Irrtum (+)
- K irrte entsprechend
- Vermögensverfügung (+ )
- K unterließ es, Forderungen ( 823 II BGB i.V.m. 263; 27; 13 StGB, s.o. A II 2) gegen A geltend zu machen.
Rest (+)
Konkurrenz: IK mit 4

P: Konkurrenzen B -> A

An sich RK. Man könnte aber daran denken, nachwirkende Pflichtverletzung und somit eine fortwirkende Tatbestandsmäßigkeit der Untreue anzunehmen, diese also als eine Art Dauerdelikt anzusehen, welches zur Verwirklichung der übrigen Tatbestände begangen wurde. Insoweit könnte auch IK begründet werden.